Erzählnachmittag vom 19.11.2024
Erzählnachmittag vom 19. November 2024
mit Rosmarie Pazeller
Tragnetze aus Sisal
Einleitend zum Referat informierte Pfarrer Ronald Herbig-Weil die Gäste über die früheren Aktivitäten von Rosmarie. Sie hat an der Uni Zürich Kultur-Anthropologie, Religionswissenschaft und Völkerrecht studiert. Sie lebte mit Ihrer Familie während mehrerer Jahre in Mexiko. Nach der Rückkehr war sie Leiterin der Heimatwerkschule und später präsidierte sie die Kirchenpflege. Auch heute noch ist sie als Lektorin für das Kirchenfenster verantwortlich.
Auf die Frage, was der Bezug zu Richterswil sei, antwortete sie: „In Mexiko hatten wir eine Zeitschrift mit dem Namen „Heimatwerk“ abonniert. Als dort die Stelle des Leiterehepaars für die Heimatwerkschule ausgeschrieben war, haben wir uns beworben“. Ihre Gotte Ida Baggenstoss (Bäckerei) war die Schwester ihrer Mutter. Daher habe sie seit ihrer Kindheit eine enge Beziehung zu Richterswil.
Auszüge aus dem Referat:
Was ist Sisal?
Sisal ist einerseits die Blattfaser einer Agavenpflanze mit vielfältigen Verwendungszwecken und anderseits der Name einer einst wichtigen Hafenstadt in Mexiko. Von dort wurde Sisal in alle Welt exportiert. Weil Mexiko auch viel Erdöl besitzt, ging die Bedeutung von Sisal als Rohstoff verloren.
Im Buch von Rosmarie „In alle Richtungen dehnbar“ steht einleitend: „Die indigenen Einwohner in Chiapas, Mexiko, transportieren seit Jahrhunderten ihre Lasten in Tragnetzen an der Stirn, einer Technik des Tragens, die sich grundlegend von solchen in der alten Welt unterscheidet. Die Tragnetze aus Agavenfasern sind bemerkenswert dehnbar und leicht an Gewicht. Das Fasermaterial wächst nahe bei den indigenen Grossfamilien. Nur Männer stellen Tragnetze her.
Der Erzählnachmittag war in jeder Hinsicht eine sehr farbige und bunte Sache. Rosmarie trug einen Huipil aus Chiapas, ein auf dem Hüftwebgerät hergestelltes Oberkleid, und nebst den Tragnetzen hatte sie eine Auswahl an Produkten aus Sisal mitgebracht. Es waren Gewebe, Schnüre, Gefässe und Schuhe. Auch Schiffstaue wurden aus Sisal hergestellt.
Irgendwann wollte Rosmarie dahinterkommen, wie diese Tragnetze gefertigt werden. Sie las viel Fachliteratur und besuchte diverse Museen. Die Recherche, so zeigte sich, musste im Gliedstatt Chiapas, Mexiko, stattfinden. Das war sehr aufwändig, weil man auch auf den Märkten keine schlüssigen Antworten darauf erhielt, wo die Hersteller dieser Tragbeutel wohnten. Der Besuch in zehn kleinen Dörfern blieb erfolglos. Dann kam plötzlich die Nachricht, dass es da einen grossen Meister gebe, welcher bereit sei, Rosmarie diese Technik beizubringen.
Er heisst Don Pedro Ruíz Jimenez und lebt mit seiner grossen Familie im Weiler Magdalenas im Hochland von Chiapas.
Beim ersten Besuch in Madgalenas war die noch verbleibende Zeit zu kurz, und so wurde die Instruktion der Herstellung auf die nächste Mexikoreise verschoben. Mit Albert als Fotograf war auch ihr Mann dabei.
Mit Don Pedro wurde vereinbart, dass die einzelnen Schritte von der Fasergewinnung bis zur Färbung des fertigen Gegenstandes mit Fotos und Videos dokumentiert werden, was er sehr schätzte. Am Ende entstand eine Werkanleitung über diese besondere Handwerkskunst von Maya-Tzeltalen und Maya-Tzotzilen.
Bei jedem Besuch in Don Pedros Familie erhielten die Kinder jeweils Bleistifte, Farbstifte, Schreibblocks und auch die Grossen freuten sich an der Schweizer Schokolade.
Für das, was sie erfahren durfte, war Rosmarie dem grossen Meister sehr dankbar. Sie kam als Lernende, nicht als Forscherin im üblichen Sinn. Beim Familienclan von Don Pedro erwarb sie viele schöne Textilien und Tragnetze. Viele Objekte gehören nun zu ihrer grossen Sammlung von mexikanischem Kunsthandwerk, andere sind in täglichem Gebrauch.
Mit der Hoffnung, dass für die Zeit nach dem Plastik die Sisalpflanze wieder an Bedeutung gewinnt und der Bevölkerung damit zu einem besseren und gerechteren Leben verhilft, schloss Rosmarie ihre Erzählungen.